Erschienen in der Böhmezeitung, Februar 2016, Foto: High-Contrast (Wikimedia)
Ist es eine gute Idee, seine Schulgebäude einem Unternehmen zu überlassen? Im Heidekreis, südlich von Hamburg, sieht man das als „Erfolgsmodell“. Nachhaltig ist es nicht.
„Wie ein Uhrwerk“ sei das Projekt gelaufen, schwärmte Landrat Manfred Ostermann bei der Übergabe der neu gebauten Kreisverwaltung in Soltau im September 2013. Sowohl beim Preis als auch bei der Bauzeit habe sich die Baufirma Wiebe an alle Absprachen gehalten. Das Gebäude sei „keine Elbphilharmonie“ geworden, wie bei der Vertragsunterzeichnung versprochen. Soll heißen: Für den Heidekreis sei ÖPP ein Erfolgsmodell und kein Millionengrab wie das Hamburger Skandalprojekt Elbphilharmonie. Sind ÖPP-Projekte hier also ein Erfolgsmodell?
ÖPP steht für „Öffentlich-Private-Partnerschaft“ und meint die Komplettvergabe eines Bauvorhabens an ein privates Bauunternehmen, also von der Planung über den Bau bis zum Betrieb. Im Gegenzug verpflichtet sich die öffentliche Hand für einen langen Zeitraum regelmäßige Raten an das Bauunternehmen zu zahlen – bei der Kreisverwaltung sind das 25 Jahre, also bis zum Jahr 2038.

ÖPP-Modelle stehen in Deutschland in der Kritik, weil es bei vielen Großprojekten dieser Art zu Kostenexplosionen und Terminproblemen gekommen ist (siehe unten). Nachdem die Finanzkrise 2009 für einen Rückgang sorgte, erleben sie wegen der derzeit niedrigen Zinsen einen neuen Aufschwung. Auch der Heidekreis hat inzwischen vier ÖPP-Projekte aufgelegt. Bereits fertig sind das Schulzentrum Walsrode und die Kreisverwaltung in Soltau. Im Bau befindet sich die Sporthalle in Schwarmstedt. Seit Dezember 2015 ist klar: Auch das Gesundheitszentrum in Walsrode soll ein ÖPP-Projekt werden.
Auf den ersten Blick ist eindeutig: Der Landkreis hat bisher von ÖPP wirtschaftlich profitiert. Die zwei bereits abgeschlossenen Projekte wurden pünktlich fertig und blieben im Rahmen der geplanten Kosten. Außerdem seien sie mit Gesamtkosten von etwa 20 Millionen Euro nach Angaben der Stadt deutlich günstiger ausgefallen als ein konventioneller Bau. Durch ÖPP habe man rund 4,3 Millionen Euro gespart.
ÖPP – Was heißt das?
Autobahnen, Schulen, Schwimmbäder – immer häufiger vergibt die öffentliche Hand inzwischen Bauprojekte komplett an privaten Unternehmen. Bei diesen Öffentlich-Privaten Partnerschaften (PPP oder ÖPP) liegen Planung, Bau und Betrieb in den Händen des Unternehmens – und auch die Risiken beim Bauen. Im Gegenzug verpflichtet sich der Staat über Jahrzehnte hinweg regelmäßige Raten zu zahlen. Befürworter sehen hierin eine Modernisierung der staatlichen Verwaltung. Kritiker betonen die Risiken: Häufig entstünden zusätzliche Kosten, welche die öffentliche Hand vorher gar nicht abschätzen könne.
Pünktliche Übergabe, stabile Kosten und dazu ein modernes attraktives Gebäude – beim Verwaltungsneubau in Soltau sieht man, wie ein gelungenes ÖPP-Projekt einer Kommune aussehen kann. Abbezahlen muss die Stadt jetzt 25 Jahre lang, einen festen Betrag von etwa 1,2 Millionen Euro pro Jahr für die zwei bisherigen Neubauten. Die Finanzierung ist damit ähnlich günstig, als wenn die Stadt selbst gebaut und dafür einen Bankkredit aufgenommen hätte.
„Laut unserer Verwaltung lief alles zur vollsten Zufriedenheit“, sagt auch Dr. Christopher Schmidt, der für die Grünen im Kreistag sitzt. Er hat wie alle anderen Parteien auch, für die ÖPP-Projekte gestimmt. „Wenn es daran Zweifel gäbe, würde sich der Landkreis wieder damit beschäftigen.“
„Schon mit der Planung gab es beim Schulzentrum Probleme“
Auch das Schulzentrum Walsrode erscheint auf den ersten Blick gelungen. Hier baute seit 2011 die Hamburger Hochbauabteilung des Baukonzerns Bilfinger-Berger das erste ÖPP-Projekt im Heidekreis. Zwar wurden auch hier die Kosten und die geplante Bauzeit eingehalten. Jedoch zeigten sich schon kurz nach der Fertigstellung im November 2011 erste Mängel. In die Mensa des Schulgebäudes drang Wasser ein. Bis die Elektrik im ganzen Haus funktionierte dauerte es noch fast ein Jahr – bei laufendem Schulbetrieb. Terminsicherheit sieht anders aus.
„Schon mit der Planung gab es beim Schulzentrum Probleme“, sagt Norbert Behrens, der im Schulzentrum die Sanitäranlagen und Heizungen eingebaut hat. Heute ist er im Ruhestand. Während auf der Baustelle hauptsächlich Firmen von außerhalb arbeiteten, griff der Konzern für die Reparaturen auf regionale Bauunternehmen zurück.
Für diese Nachbesserungen musste wenigstens nicht der Landkreis bezahlen. Das ist ein wesentlicher Vorteil von ÖPP-Projekten und eine Gefahr für kleine und mittelständische Unternehmen. Wenn früher solche zusätzlichen Kosten während der Bauzeit anfielen, konnten sich die Bauunternehmen diese zurückholen. Wer für den Landkreis baute, bekam zusätzliche Kosten vom Landkreis bezahlt.
„Der Generalunternehmer drückt Sie, bis Ihnen das Wasser steht.“
In ÖPP-Projekten ist das heutzutage kaum noch möglich. Hier ist ein sogenannter Generalunternehmer zwischen den öffentlichen Auftraggeber und die ausführende Baufirma getreten. Der Generalunternehmer, in diesem Fall der Baukonzern Bilfinger-Berger, übernimmt das Risiko, wenn etwa schiefgeht. Und seinen Nachunternehmern bezahlt er einen festen Preis. Nachverhandlungen so gut wie ausgeschlossen. Im schlechtesten Fall bleiben diese also auf ihren Kosten sitzen.
Bei ÖPP-Projekten müssen Bund und Länder besser auf den Mittelstand achten – das ist auch das Fazit eines aktuellen Gutachtens des Bundesrechnungshofs zu ÖPP-Projekten im Autobahnbau von Ende Januar. In dem Bericht heißt es, dem „Nutzen der früheren Fertigstellung“ sollte der gesamtwirtschaftliche Nutzen der Mittelstandsförderung gegenübergestellt werden. Das Gutachten wurde Ende Januar im Rechnungsausschuss des Deutschen Bundestags vorgestellt.
Wo wird mit ÖPP gebaut?
Beispiel Offenbach:
88 Schulen ließ der Landkreis Offenbach ab 2004 in einem ÖPP-Projekt sanieren. Zwei große Baukonzerne durften bauen und die Gebäude anschließend für mindestens zehn Jahre betreiben. Inzwischen ist klar: Die Stadt hat sich über den Tisch ziehen lassen. Der hessische Landesrechnungshof stellte fest, es wäre billiger gewesen, selbst zu bauen. Die Bauunternehmen hingegen dürften etwa 120 Millionen Euro Gewinn gemacht haben.
Beispiel Bremen:
Auch Nicht-ÖPP-Projekte können teuer werden: In Bremen sollte ein 750-Betten-Bau am Klinikum Bremen-Mitte als ÖPP-Projekt gebaut werden. Der Senat entschied sich dagegen und baute selbst. Die Eröffnung hat sich inzwischen um fünf Jahre verzögert und die Mehrkosten liegen bei geschätzten 100 Millionen Euro.
Weil sich mittelständische Unternehmen ungern mit einem Baukonzern anlegen, meiden sie die ÖPP-Projekte. Das bestätigt auch der Haustechniker Behrens aus seiner langjährigen Erfahrung mit ÖPP-Projekten: „Der Generalunternehmer drückt Sie, bis Ihnen das Wasser steht.“ Bilfinger sei zwar immer ein „fairer Geschäftspartner“ gewesen. Aber bei den ausgeschriebenen Bauleistungen habe man dennoch „höllisch aufpassen“ müssen, damit man als mittelständisches Unternehmen nicht mit Verlusten die Baustelle verlässt.
Der Generalunternehmer Bilfinger hatte zum Spatenstich angekündigt „rund 60 bis 70 Prozent der Leistungen werden an regionale Unternehmen vergeben“. Laut dem Pressesprecher des Heidekreises, Andreas Pütz, sei eine „Einbindung regionaler Unternehmen“ ausdrücklich vom Landkreis gewünscht gewesen.
Tatsächlich kam von den 15 Firmen, die den Rohbau der Schule errichtet haben, nur eine einzige aus der Region. Beim gesamten Bau waren es weniger als ein Drittel, wie aus einer Auflistung des Konzerns Bilfinger-Berger hervorgeht. Das bestätigt auch der Bilfinger-Projektleiter Wolfram Büchle. Es gäbe aber eben nur „eine Handvoll“ Firmen in der Region, die entsprechende Leistungen anbieten könnten.
Die werden aber auch kaum angefragt. Das sagt zumindest der Kreishandwerksmeister im Heidekreis, Friedhelm Eggers: „Grundsätzlich bringt der Generalunternehmer seine Firmen mit.“ Zumindest beim Schulzentrum Walsrode und der Sporthalle Schwarmstedt seien Firmen aus der Region kaum angefragt worden. Das zeigt, dass regionale Unternehmen von den ÖPP-Projekten kaum profitieren. Entweder werden sie gar nicht angefragt oder sie geben kein Angebot ab, weil sie nicht riskieren wollen, sich mit einem Baukonzern anzulegen.
Zusammenfassend lässt sich also sagen: Die ÖPP-Projekte haben dem Heidekreis bisher also einiges Geld gespart. Aber das Beispiel des Schulzentrums Walsrode zeigt auch: Man muss genau hinschauen, wer von den öffentlichen Aufträgen profitiert. Für viele Bauunternehmen im Heidekreis sind solche Aufträge überlebenswichtig. Wenn sie die ÖPP-Projekte meiden, weil ihnen diese zu riskant erscheinen, dann wird das Bauen vielleicht billiger. Nachhaltig ist es nicht.